Seit Kriegsbeginn unterstützt eine verschworene Gruppe recht junger Leute den ukrainischen Präsidenten. »Kampfgefährten« nennt seine Frau Olena sie. Wer sind sie, und was hält sie zusammen?

0%
Wie aus dem Nichts wurde Wolodymyr Selenskyj durch den Angriff der Russen auf die Weltbühne katapultiert. Aber kein Präsident führt einen Krieg allein.
In den ersten Wochen des Krieges versammelte Selenskyj eine Gruppe von Helfern um sich, die ihn bis heute unterstützen. Vom Politikmachen verstanden sie bis dahin nichts, von Kriegführung noch weniger.
Am längsten an Selenskyjs Seite: Mychajlo Fedorow, Vizepremier und Digitalminister. Er hat mit 27 Jahren Selenskyjs Wahlkampagne geleitet und aus dem Comedy-Schauspieler einen Präsidenten geformt.
Fedorow ist der Experte fürs Digitale – mit guten Kontakten. Er war es, der Elon Musk anrief und ihn um Zugang zum globalen Satellitensystem Starlink bat. Er hat an Tag eins des Krieges digitale Talente für eine IT-Armee angeworben. Und er hat Apple-CEO Tim Cook überzeugt, den Apple-Store für die Russische Föderation zu sperren.
Er ist einer der Älteren im inner circle: Mychajlo Podoljak, 50. Er arbeitet im Präsidialamt. Eine genaue Jobbezeichnung hat er nicht. Er sammelt täglich Informationen aus dem Innen-, dem Außen- und dem Verteidigungsministerium. Er filtert sie und bestimmt, was Selenskyj lesen und worüber er entscheiden soll.
Als die ZEIT Podoljak trifft, ist der vor allem eins: wütend auf den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Seit Tagen warten die Ukrainer auf eine Entscheidung, ob Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine geliefert werden dürfen. Er sagt: »Ihr Deutschen habt keine Wahl, so wie wir keine Wahl haben. Nur wenn man zum Anführer wird, lassen sich die Schatten der Vergangenheit vergessen.«
Im Hintergrund arbeitet Katja, 30, (sie will nicht, dass ihr Nachname publik wird). Sie ist die Beauftragte für Selenskyjs digitale Inszenierung. »Er sagt mir, welche Botschaft er an die Welt senden will, und ich schreibe die Texte« – das umfasst alles von der Rede vor den Vereinten Nationen bis zu kleinen Schnipseln auf Instagram.
Katja erinnert sich noch an das erste Video Selenskyjs aus dem Krieg, vom Morgen des 24. Februar. Selenskyj hatte Katja gefragt, was die Ukrainer denken, was im Netz die Runde macht. »Ich antwortete ihm, dass sich die Menschen fragen, wo ihr Präsident sei.« Also ging er in Kiew auf die Straße. »Er hatte keine Angst, rauszugehen«, sagt Katja, »seine Beschützer schon.«
Die größte militärische Erfahrung im inner circle hat Wadim Skibizkyj, 53. Er war lange General und Geheimdienstler. Er hat das ukrainische Raketenabwehrsystem aufgebaut, bevor er einer der Chefs des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurde. Was genau er früher gemacht hat, bleibt im Dunkeln, aber er habe ein besonders gutes Verhältnis zum Pentagon.
»Die Hilfe der Kollegen vom britischen und amerikanischen Geheimdienst ist für uns überlebenswichtig«, sagt Skibizkyj. Dank ihnen sei man in der Lage gewesen, die ukrainische Bevölkerung, aber auch die Verbündeten auf der ganzen Welt vorzubereiten. »Damit war die Gefahr gebannt, gleich in den ersten Kriegstagen vom Feind überrollt zu werden. Wir konnten Kiew schützen.«
Und dann ist da natürlich Olena Selenska, 45, die Frau des Präsidenten. Sie arbeitete wie ihr Mann in der Filmbranche, wurde von der Ehefrau zur Präsidentengattin und musste im vergangenen Jahr lernen, ein ganzes Volk zu trösten.
Die amerikanische Vogue widmete ihr ein Cover. In der Ukraine wurde die Titel-Pose als unladylike kritisiert. Selenska sagt: »Mir fällt wirklich im Jahr 2023 kein Grund ein, warum ich als Frau des Präsidenten der Ukraine nicht fordernd gucken sollte. Ich muss mich nicht verstecken. Der Krieg kann mir nicht alles nehmen.«
Diesen fünf Menschen vertraut Wolodymyr Selenskyj. Sie bilden seinen inner circle.
Sources
Credits
Text: Cathrin Gilbert, Amélie Schneider
Fotos: Anton Kulakowsky; Alexander Chekmenev (W. Selenskyj); Marcel Mettelsiefen für DIE ZEIT (3); dpa; VOGUE; Getty Images
Grafik und Animation: Jan Schwochow
Produktion: Nele Justus, Christian Krug, Johannes Mitterer